Page 3 - Saarländisches Ärzteblatt, Oktober-Ausgabe 2025
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EDITORIAL
Sehr geehrte Kolleginnen und Kollegen,
„Ein funktionierendes Gesundheitssystem ist eine tragende Säule unseres Sozialstaats und damit
enorm wichtig für das Vertrauen in die Demokratie. Wer Missstände im Gesundheitswesen zu
lange ignoriert, spielt dem Populismus in die Hände," so kommentierte Prof. Wolfgang Schroeder,
Politikwissenschaftler mit Schwerpunkt auf Demokratieforschung, das Ergebnis des diesjährigen
TK-Meinungspuls. Die repräsentative Forsa-Befragung vom März im Auftrag der Krankenkasse
zeige: Fast jede oder jeder Dritte sei aktuell mit dem deutschen Gesundheitssystem nicht zufrie-
den. Das Bedenkliche dabei wäre, dass die Unzufriedenheit sich seit 2021 verdreifacht habe.
Wir wissen es zur Genüge: Die medizinische Versorgung steht unter Druck. Ärztemangel, überbor-
dende Bürokratie, ineffiziente Strukturen und eine zunehmende Belastung im Praxisalltag sind
Symptome eines Systems, das vielerorts an seine Grenzen stößt. Vor diesem Hintergrund hat das
Aktionsbündnis Gesundheit Saarland aus Patientenvertretern und Vertretern der im Gesundheits-
wesen Tätigen vor einigen Wochen eine tiefgreifende Neuausrichtung des Gesundheitswesens
gefordert – mit einem Modell, das nicht nur theoretisch überzeugt, sondern aus der Praxis heraus
entwickelt wurde: das Saarland-Modell.
Im Zentrum steht ein Versorgungskonzept, das sich konsequent am tatsächlichen Bedarf der
Bevölkerung orientiert und die Rolle der Primärversorgung deutlich stärkt. Primärversorgende
Hausärztinnen und Hausärzte, Fachärztinnen und Fachärzte sowie Apotheken sollen als koordinie-
rende Instanzen fungieren, um die Versorgung effizienter und patientennäher zu gestalten. Für
Ärztinnen und Ärzte bedeutet das: weniger Verwaltungsaufwand, klarere Zuständigkeiten und
eine bessere Vernetzung mit anderen Leistungserbringern.
Für die ärztliche Praxis bedeutet das Saarland-Modell eine Rückbesinnung auf das Wesentliche:
medizinische Versorgung, die sich an den Bedürfnissen der Patientinnen und Patienten orientiert –
und nicht an bürokratischen Hürden oder politischen Kompromissen.
Einen kurzen Blick sollten wir noch auf die Zahlen der TK werfen: 38 Prozent seien mit dem
Terminangebot der Facharztpraxen nicht zufrieden. 2017 waren es noch 27 Prozent. Menschen aus
Kommunen mit weniger als 20.000 Einwohnern waren am unzufriedensten (48 Prozent). Insgesamt
sorge die Termin-Wartezeit bei 62 Prozent der Patienten für Frust.
Wie sehen die konkreten Zahlen eigentlich im europäischen Vergleich aus? Etwa 50 Prozent erhal-
ten innerhalb von 10 Tagen einen Termin. Rund 25 Prozent der gesetzlich Versicherten warten län-
ger als 30 Tage auf einen Facharzttermin. In Frankreich liegt der Wert bei 36 Prozent, in Groß-
britannien bei 41 Prozent und in Norwegen sogar bei 61 Prozent. Deutschland schneidet im inter-
nationalen Vergleich also relativ gut ab, auch wenn die subjektive Wahrnehmung vieler Patien-
tinnen und Patienten eine andere ist.
Mit kollegialen Grüßen
Ihr
Markus Strauß
Präsident
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Saarländisches Ärzteblatt Ausgabe 10/2025